Die Morgensonne glitzert auf den backsteinroten Giebeln, während ich durch die kopfsteingepflasterten Straßen schlendere. Ich bin in Wismar, einer Hansestadt mit 43.467 Einwohnern an der deutschen Ostseeküste. Was mich hier fasziniert? Der unglaubliche Kontrast zwischen mittelalterlicher Pracht und zukunftsweisender Industrie. Während 90% der Altstadt unter Denkmalschutz stehen, produziert diese kleine Stadt jährlich Solarmodule im Wert von 400 Millionen Euro.
Die salzige Meeresbrise vermischt sich mit dem Duft von frisch verarbeitetem Holz aus dem nahegelegenen Industriegebiet. Hier, nur 2 Kilometer von der mittelalterlichen Altstadt entfernt, schlägt das wirtschaftliche Herz dieser unscheinbaren Stadt mit überraschender Kraft.
Diese 43.467-Einwohner-Hansestadt produziert Solartechnik für 400 Millionen Euro jährlich
Auf den ersten Blick wirkt Wismar wie eine typische mittelalterliche Hansestadt – ähnlich wie Split mit seinen antiken Palasträumen. Doch hinter den backsteinroten Fassaden verbirgt sich eine wirtschaftliche Überraschung.
Die Sonnenstromfabrik Solara beschäftigt 360 Mitarbeiter und produziert jährlich Solarmodule, die weltweit exportiert werden. Daneben bildet die Holzindustrie mit Unternehmen wie Ilim Nordic Timber und Egger Holzwerkstoffe mit über 1.000 Arbeitsplätzen einen zweiten wirtschaftlichen Stützpfeiler.
„Man hört das Mittelalter flüstern und spürt gleichzeitig den Puls der Zukunft. Diese Mischung macht unsere Stadt einzigartig“, erzählt mir ein grauhaariger Herr, während er auf einer Bank am Hafen sitzt und seinen Blick zwischen den gotischen Kirchtürmen und den modernen Industrieanlagen am Horizont schweifen lässt.
90% UNESCO-Schutz trifft auf Europas modernste Holzindustrie
Die mittelalterliche Altstadt ist ein architektonisches Juwel, das sich durch seine Kompaktheit auszeichnet. Ähnlich wie in diesem rheinhessischen Dorf sind hier Kulturdenkmäler auf engstem Raum konzentriert. Die Grube, ein mittelalterlicher Wasserlauf, ist der letzte seiner Art in Norddeutschland.
Mit 90% denkmalgeschützter Altstadt übertrifft Wismar sogar die norwegische Stadt Ålesund mit ihren 89% Jugendstilgebäuden in Bezug auf architektonische Homogenität.
In keiner anderen Stadt erlebst du morgens eine UNESCO-Führung und nachmittags eine Werksbesichtigung, wo Zukunftstechnologien entstehen. Dieser Kontrast öffnet dir die Augen für Deutschlands verborgene Stärken.
Die drei Hauptkirchen – Nikolaikirche, Sankt-Georgen-Kirche und Marienkirche – prägen die Skyline. Vom 80 Meter hohen Marienkirchturm bietet sich ein atemberaubender Panoramablick über die Wismarer Bucht und die industriellen Anlagen im Hintergrund.
Wie Wismar die Hansetradition mit Zukunftstechnologie verbindet
Während Coburg seine imposante Burganlage als historisches Erbe präsentiert, geht Wismar einen Schritt weiter und verbindet sein Hanseerbe mit Zukunftstechnologien.
Im Hafen, wo einst Handelsschiffe der Hanse anlegten, findet man heute Hightech-Firmen. Die Stadt hat den Übergang geschafft, ohne ihre Seele zu verlieren. Das barocke Wasserkunst am Marktplatz aus dem 17. Jahrhundert steht als Symbol für Innovation – damals wie heute.
Die Wismarer nennen ihre Stadt liebevoll „Dat Perleken“ – das kleine Perlchen. Ein passender Name für eine Stadt, die ihre historische Substanz bewahrt hat und gleichzeitig wirtschaftlich glänzt.
Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen
Der beste Zugang zur Altstadt erfolgt über den Parkplatz am Hafen, der kostenlos ist und nur 5 Minuten Fußweg zum Marktplatz benötigt. Besuchen Sie die Stadt am frühen Morgen oder späten Nachmittag, wenn die wenigen Tagestouristen bereits weg sind.
Nutzen Sie die Bootsfahrt zur Insel Poel mit ihrem 14 km langen Sandstrand und dem historischen Leuchtturm von 1871. Im Sommer 2025 können Sie zudem die Hafenfeste erleben, bei denen maritime Shows und regionale Meeresküche geboten werden.
Kulturinteressierte Reisende, die bereits Weimars zwei separate UNESCO-Welterbestätten besucht haben, werden in Wismar eine perfekte Ergänzung ihrer Deutschland-Kulturreise finden.
Als ich am Abend mit meiner Frau Sarah telefoniere, beschreibe ich ihr, wie Wismar mich an unsere gemeinsame Reise nach Tallinn erinnert – doch mit einer authentischeren Atmosphäre. Wismar ist wie ein gut gehütetes Familiengeheimnis: Eine Stadt, die ihre Vergangenheit ehrt, während sie selbstbewusst in die Zukunft blickt. Genau diese Verbindung aus Tradition und Innovation macht sie zu einem der faszinierendsten versteckten Juwelen an der deutschen Ostseeküste.