Die Glockenschläge des Münsters auf dem Abteiberg hallen durch die Morgendämmerung, während ich durch die kopfsteingepflasterten Straßen von Mönchengladbach schlendere. Es ist kaum zu glauben, dass dieses versteckte Renaissance-Juwel nur 20 Kilometer von Düsseldorf entfernt liegt. Mit 267.213 Einwohnern beherbergt diese rheinische Stadt ein unglaubliches Geheimnis: drei historische Schlösser auf gerade einmal 170,47 Quadratkilometern – eine Konzentration, die selbst viele deutsche Historiker überrascht. Während der Morgennebel sich über die Wassergräben von Schloss Rheydt legt, kann ich nicht anders, als mich zu fragen, warum dieser Ort noch nicht von Touristenmassen überlaufen wird.
Renaissance-Schatz mit 3 Schlössern: Rheinlands bestgehütetes Geheimnis
Schloss Rheydt erhebt sich vor mir wie eine Zeitkapsel aus dem 16. Jahrhundert. Als einziges vollständig erhaltenes Renaissance-Wasserschloss im gesamten Rheinland, erbaut zwischen 1558 und 1591, ist es ein architektonisches Meisterwerk, das mich sofort an Gent erinnert – nur ohne die endlosen Touristenschlangen. Die sternförmigen Wassergräben spiegeln die Morgensonne wider, während ich den Innenhof betrete.
Während Coburg mit seiner imposanten Veste eine ergänzende historische Perspektive bietet, verfügt Mönchengladbach über gleich drei Schlösser: Rheydt, Wickrath und Myllendonk. „Ein wahrer Schatz an Renaissance-Architektur, den selbst viele Deutsche noch nicht entdeckt haben“, flüstert mir ein Kunsthistoriker zu, der regelmäßig Führungen anbietet.
Das Schloss Wickrath, nur 8 Kilometer entfernt, beherbergt heute ein Museum und wird von einem weitläufigen Park umgeben. Die lokalen Rheyländer nennen es liebevoll „dat kleine Versailles“ – eine Anspielung, die ich nach meinem Besuch durchaus nachvollziehen kann. Es ist erstaunlich, wie diese historischen Juwelen so lange im Verborgenen bleiben konnten.
Architektonische Zeitreise: 800 Jahre Geschichte trifft Moderne
Der wahre Reiz Mönchengladbachs liegt in seinen extremen architektonischen Kontrasten. Das Münster auf dem Abteiberg, über 800 Jahre alt, thront majestätisch über der Stadt. Seine frühgotischen Elemente und barocke Chororgel sind Zeugen einer reichen spirituellen Geschichte.
Direkt daneben steht das Museum Abteiberg – ein kühnes Beispiel moderner Architektur des österreichischen Architekten Hans Hollein, das 1982 eröffnet wurde. Während Weimars einzigartige Verbindung von historischem und kulturellem Erbe weltweit bekannt ist, bleibt Mönchengladbachs architektonische Zeitreise vom Mittelalter bis zur Postmoderne ein Geheimtipp.
„Man spürt hier den Atem von Jahrhunderten, während man gleichzeitig die Innovationen der Gegenwart erlebt. Anders als in anderen historischen Städten gibt es hier keine Touristenmassen, die die Atmosphäre stören. Diese Stille ist unbezahlbar.“
Im TextilTechnikum erfahre ich mehr über die industrielle Vergangenheit der Stadt. Einst pulsierendes Zentrum der Textilindustrie, bewahrt Mönchengladbach dieses Erbe in beeindruckenden Ausstellungen, die zeigen, wie Maschinen und Menschen die Region prägten. Die Stadt ist wie eine offene Geschichtsseite, die zu wenige Menschen lesen.
Wasserschloss Rheydt: Vollständig erhaltenes Renaissance-Juwel seit 1591
Zurück im Schloss Rheydt entdecke ich Details, die selbst in Molsheims versteckten Kulturschätzen im Elsass selten zu finden sind. Die original erhaltenen Kasematten und der Rittersaal erzählen Geschichten von Adelsfamilien und kriegerischen Zeiten. Nicht einmal der Zweite Weltkrieg konnte diesem Juwel etwas anhaben – es überstand die Bombenangriffe fast unbeschädigt.
Ein besonderes Erlebnis bieten die Segway-Touren, die entlang der Niers zwischen den Schlössern verkehren. Bei Sonnenaufgang, wenn der Nebel noch über den Wassergräben schwebt, entstehen Bilder von geradezu mystischer Schönheit. Meine Frau Sarah hätte hier perfekte Fotomotive gefunden.
Mönchengladbachs Kulturdreieck: 20 Minuten von Düsseldorf, Welten entfernt
Der beste Zugang erfolgt über die A52 von Düsseldorf, mit kostenfreien Parkplätzen am Rande der Altstadt. Vermeiden Sie die Hauptverkehrszeiten zwischen 7:30 und 9:00 Uhr, um entspannt anzukommen. Die Waldhausenerstraße verwandelt sich abends in eine lebendige Partymeile – ein faszinierender Kontrast zu den historischen Schlössern.
Besuchen Sie unbedingt den Bunte Garten, einen botanischen Garten mitten in der Stadt, idealerweise am frühen Morgen, wenn die Pflanzen im Morgentau glitzern. Für einen erweiterten Kulturtrip können Sie Mönchengladbach mit einem Besuch in den versteckten Perlen Rheinhessens kombinieren – eine Gegend, die ähnlich unterschätzt wird.
Während ich am Abend am Ufer der Niers sitze und die Sonne hinter Schloss Rheydt versinken sehe, denke ich an meine Tochter Emma. Sie würde die Wasserburgen lieben und stundenlang Prinzessinnengeschichten erfinden. Mönchengladbach ist wie ein gut gehüteter Familienbrief – voller Geschichten und Geheimnisse, die darauf warten, entdeckt zu werden. In einer Welt, in der jeder Winkel fotografiert und gepostet wird, bleibt diese rheinische Perle erstaunlich unberührt vom Massentourismus – ein echtes Privileg für Entdecker.