Die eiskalte Luft hat mich überrascht, als ich heute Morgen um 6:30 Uhr am Ufer des Lac de Gérardmer stand. Der 12°C kühle Gletschersee dampfte leicht im Morgenlicht, während das Städtchen mit seinen 7.685 Einwohnern noch schlief. Nach zehn Jahren Reisejournalismus bin ich selten so beeindruckt von einem Ort, der praktisch unentdeckt bleibt – trotz seiner verblüffenden Ähnlichkeit mit dem überlaufenen Hallstatt, nur ohne die endlosen Touristenbusse.
Das Wasser glitzert im ersten Sonnenlicht, während ich meinen Kaffee schlürfe. Die lokalen Fischer haben mir versichert, dass selbst im Hochsommer 2025 die Wassertemperatur kaum über 15°C steigen wird – ein natürliches Wunder, das diesen Ort zu einem perfekten Sommerrückzugsort macht.
Der kälteste Gletschersee Frankreichs, der selbst im August erfrischend bleibt
Auf 666 Metern Höhe gelegen, bleibt der Lac de Gérardmer selbst während der kommenden Hitzewellen 2025 erstaunlich kühl. Der See, mit einer Fläche von 115,5 Hektar, ist das glanzvolle Herzstück dieses versteckten Juwels in den Vogesen.
Was diesen Ort besonders macht? Während Breitnau im Schwarzwald mit seinen Basaltsäulen vor allem Geologiefans anzieht, bietet Gérardmer sowohl kulturelle als auch natürliche Erlebnisse. Hier können Sie morgens im erfrischenden Gletscherwasser schwimmen und abends das berühmte Fantasy Film Festival besuchen.
Die Einheimischen nennen ihren Ort liebevoll „La Perle des Vosges“ – die Perle der Vogesen. Ein passender Name für eine Stadt, die zwischen dichten Tannenwäldern und kristallklarem Wasser eingebettet liegt, während in den meisten anderen alpinen Regionen die Besucher Schlange stehen.
Hallstatts unbekannter französischer Zwilling ohne Touristenmassen
Wer das österreichische Hallstatt oder Thonon-les-Bains am Genfer See kennt, wird Gérardmer als deren unentdeckte Schwester empfinden. Während Thonon für seine Weinkultur bekannt ist, bietet Gérardmer seinen kühleren alpinen Charme ohne die Menschenmassen.
„Ich komme seit 15 Jahren hierher. Selbst im Hochsommer finde ich immer einen ruhigen Platz am See – versuchen Sie das mal in Annecy oder am Königssee.“
Der Unterschied liegt in den Zahlen: Hallstatt empfängt jährlich über eine Million Besucher – mehr als das 1.200-fache seiner Einwohnerzahl. Gérardmer hingegen behält seine Authentizität mit einem viel ausgewogeneren Verhältnis zwischen Einheimischen und Besuchern.
Ähnlich wie Kitzbühel mit seinem Hahnenkamm-Rennen verwandelt sich auch Gérardmer während des Fantasy Film Festivals von einem ruhigen Dorf in ein kulturelles Epizentrum. Der Unterschied: Nach dem Festival kehrt wieder friedliche Ruhe ein, während andere Destinationen ganzjährig überlaufen sind.
Die Legende der Bourrique: Ein Wasserfall mit tragischer Geschichte
Etwa 3 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt der Wasserfall „Le Saut de la Bourrique“ (Der Sprung der Eselin). Hier, so erzählt man sich, rettete eine treue Eselin ihren Herrn vor Banditen, indem sie mit ihm in die Tiefe sprang.
So wie Oberammergau seine jahrhundertealte Tradition pflegt, hält auch Gérardmer an seinen lokalen Legenden fest. Der Weg zum Wasserfall führt durch dichten Wald und wird selbst im Hochsommer von kaum mehr als 30-40 Besuchern täglich begangen – ein weiterer versteckter Schatz für Naturliebhaber.
Der optimale Zeitpunkt für einen Besuch ist frühmorgens vor 9 Uhr oder spätnachmittags nach 17 Uhr, wenn das Sonnenlicht durch die Bäume bricht und das herabstürzende Wasser in magisches Licht taucht.
Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen
Die beste Anreise erfolgt über die D417 mit kostenlosem Parken am Westufer des Sees. Meiden Sie unbedingt die überfüllten Parkplätze im Stadtzentrum, besonders während des Narzissenfests im April und des Fantasy Film Festivals im August 2025.
Lokale Bootverleiher bieten Elektroboote ohne Führerscheinpflicht an – eine Seltenheit in Europa und perfekt für eine entspannte Seerundfahrt. Für 25€ pro Stunde können Sie die unberührten Ufer erkunden, die vom Land aus nicht zugänglich sind.
Als ich gestern mit Sarah und Emma eine solche Bootstour machte, zeigte uns ein Fischer versteckte Buchten, die selbst langjährige Besucher oft übersehen. „Das ist unser kleines Geheimnis,“ zwinkerte er, „wie ein Tänzer, der sich hinter seinem Schleier versteckt, zeigt Gérardmer seine besten Seiten nur denen, die geduldig suchen.“
Dieses französische Alpenjuwel hat mich überzeugt: Es gibt noch unentdeckte Orte in Europa, die authentische Erlebnisse bieten. Während die Massen nach Hallstatt und Annecy strömen, werde ich wiederkommen, um die kühle Umarmung des Gletschersees zu genießen – ein Privileg, das 2025 noch zu haben ist, aber vielleicht nicht mehr lange.