Die majestätische Standseilbahn gleitet langsam den Hang hinab, während sich unter mir der glitzernde Genfersee ausbreitet. Thonon-les-Bains, dieser französische Kurort mit 37.000 Einwohnern und einer Höhenlage von 430 Metern, offenbart sich als faszinierendes Weltgeheimnis. Was die meisten Reisenden nicht wissen: Hier verschmelzen französischer Weingenuss und Schweizer Panoramablicke zu einem kulturellen Hybrid, der weder in Reiseführern noch auf Instagram-Feeds die verdiente Aufmerksamkeit bekommt.
Die CGN-Fähre vom schweizerischen Lausanne legt gerade an, als ich am historischen Port des Rives ankomme. Ein lokaler Fischer sortiert seine Netze, während Weinliebhaber in einem Café über ihren morgendlichen Roussette-Wein diskutieren. Die Uhren scheinen hier langsamer zu ticken – ein wohltuender Kontrast zur hektischen Metropolregion Grand Genève.
Die 134 Jahre alte Standseilbahn verbindet See und Stadt wie keine andere in Europa
Die historische Standseilbahn von Thonon, seit 1888 in Betrieb, überwindet einen Höhenunterschied von 58 Metern und war ursprünglich wasserbetrieben. „Funiculaire“ nennen die Einheimischen dieses technische Wunder, das als einziges in Europa seine Gegenkabine in einer Kurve kreuzt – ein Ingenieurskunststück, das selbst Schweizer Präzisionsfans beeindruckt.
Für nur 4,50 € pro Erwachsenen transportiert sie Besucher vom Seeufer zur Oberstadt. Meine 7-jährige Tochter Emma wäre begeistert von dieser sanften Bergfahrt. Bis 1956 wurden hier hauptsächlich Güter transportiert, erst danach fokussierte man sich auf Touristen. Ähnlich wie auf der autofreien Insel Wangerooge setzt man hier auf nachhaltige Mobilitätskonzepte.
Am Belvédère-Aussichtspunkt oben angekommen, enthüllt sich ein atemberaubendes 180-Grad-Panorama über den Genfersee bis zur Schweiz. Die klare Sommerluft von 2025 lässt die Alpengipfel zum Greifen nah erscheinen.
Wo französischer Roussette-Wein auf Schweizer Präzision trifft – Savoyer Weingeheimnisse
Die Weinproduktion von Roussette de Savoie aus der Altesse-Traube bietet ein ähnliches Terroir-Erlebnis wie deutlich teurere Schweizer Weine. Mit 14-15% Alkoholgehalt und Aromen von Honig und Mandeln repräsentieren diese Weine eine der extremsten Weinbauregionen Frankreichs.
„Unsere Weine erzählen Geschichten von Herzögen und Mönchen – wir produzieren weniger als ein Viertel dessen, was die bekannteren Regionen herstellen, aber mit doppelter Leidenschaft und Handarbeit.“
Im Schloss Ripaille, einst Kartäuserkloster und herzogliche Residenz, kann man die Weinkultur hautnah erleben. Die Geschichte des Schlosses reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück und erlebte dramatische Wendungen während der Religionskriege. Ähnlich wie im rheinhessischen Weindorf Partenheim verstecken sich hier kulturelle Schätze zwischen den Rebstöcken.
Der Weinbau findet an steilen Berghängen statt – eine Herausforderung, die zu niedrigen Erträgen, aber höchster Qualität führt. Sarah, meine Frau und Fotografin, würde die dramatischen Kontraste zwischen Weinbergen, See und schneebedeckten Alpen lieben.
Der perfekte Sommertag 2025: Von französischem Weinfrühstück zur Schweizer Abendfähre
Beginnen Sie Ihren Tag um 9 Uhr mit einem Café au Lait an der Place du Marché, bevor Sie mit der Standseilbahn hinabgleiten. Der historische Hafen Port des Rives erwacht gerade zum Leben – perfekt für authentische Fotos ohne Menschenmassen.
Besuchen Sie das Ökomuseum der Fischerei, wo in traditionellen Wachhäusern die Geschichte des einst größten Fischmarkts Europas erzählt wird. Mittagessen sollten Sie in einem der Hafenrestaurants mit Blick auf die einlaufenden Fischerboote.
Am Nachmittag erwartet Sie eine Weinprobe im Schloss Ripaille mit sechs verschiedenen Weinsorten für nur 15 €. Nehmen Sie die 17-Uhr-Fähre nach Lausanne – ein 45-minütiger Ausflug in die Schweiz ohne Grenzkontrollen. Von dort können Alpinbegeisterte weiter nach Gstaad reisen, wo eine spektakuläre Hängebrücke zwischen Gipfeln wartet.
Zurück in Thonon genießen Sie ein Abendessen in der Oberstadt mit Blick auf den Sonnenuntergang über dem See – „la vie savoyarde“ in ihrer reinsten Form.
Als ich mit der letzten Fähre zurück nach Lausanne gleite, denke ich an die Worte des Standseilbahnführers: „Zwischen Frankreich und der Schweiz liegt nicht nur eine Grenze, sondern eine Welt voller Geschichten.“ Thonon-les-Bains verkörpert diese Geschichten – ein Ort, wo die Zeit sich verlangsamt und die Sinne geschärft werden. Meine Familie und ich werden wiederkommen, um mehr dieser versteckten Juwelen zu entdecken, die abseits der ausgetretenen Pfade auf Entdecker warten.