Die Øresundbrücke taucht ins Meer ein und verschwindet. Stahlträger weichen türkisfarbenem Wasser, der Horizont öffnet sich, dann führt der Weg 4 km unter dem Meeresgrund hindurch. Diese 7.845 Meter moderne Ingenieurskunst verbinden Kopenhagen und Malmö für 56 € Maut. Doch während 6,7 Millionen Fahrzeuge jährlich nur durchfahren, kennen Einheimische das Geheimnis: Die Brücke ist kein Transit, sondern Tor zu einem tri-nationalen Mikroabenteuer zwischen Dänemark, der künstlichen Insel Peberholm und Schweden.
Wo Brücke zu Tunnel wird: Die spektakuläre Transformation auf Peberholm
Der Übergang geschieht auf einer künstlichen Insel, die 99% der Reisenden nie bewusst wahrnehmen. Peberholm – 4 km lang, ausschließlich für diese Brücke erschaffen – markiert den Punkt, wo Architektur verschwindet und Natur zurückkehrt. Von der Schrägseilbrücke rollst du auf Bodenhöhe, dann abwärts in den 4.050 m langen Drogdentunnel.
GPS-Koordinaten 55.59° N, 12.75° O markieren diese ingenieurstechnische Meisterleistung. Die Brücke-Tunnel-Kombination existiert aus einem praktischen Grund: Der Flughafen Kopenhagen liegt zu nah. Eine durchgehende Brücke hätte Flugrouten blockiert, deshalb verschwindet sie elegant unter Wasser.
Die 204 Meter hohen Pylonen ragen wie moderne Kathedralen in den skandinavischen Himmel. Dann, nach 7.845 Metern über dem Øresund, verschwinden diese monumentalen Strukturen wie die Wasserwege im Spreewald – nur viel spektakulärer.
Die 56€-Frage: Auto vs. Zug und das Geheimnis der Mehrfachdurchquerung
Wie Pendler die Maut umgehen
56.000 Menschen pendeln täglich zwischen Kopenhagen und Malmö – dreimal mehr als 2007. Einzelfahrer zahlen 460 DKK (56 €) pro PKW-Überquerung. Doch Einheimische nutzen ØresundGO-Abonnements oder wählen den Zug: 35 Minuten für einen Bruchteil der Kosten.
Der wahre Insider-Move kombiniert beide: Auto für Flexibilität am Zielort, Zug für reine Transit-Fahrten. Das Zugticket kostet etwa 12-15 € und bietet identische Aussichten. Ähnlich wie auf Fårö erreicht man spektakuläre Landschaften mit verschiedenen Verkehrsmitteln.
Die vergessene dritte Option: Die historische Fähre
Fähren fuhren diese Route seit Jahrhunderten. Sie existieren noch – 20-minütige Überfahrten Helsingør-Helsingborg nördlich der Brücke für 26,50 € (bei Vorausbuchung). Manche Einheimische kombinieren beide Routen: Brücke südwärts für Geschwindigkeit, Fähre nordwärts für maritime Nostalgie.
Was 99% der Reisenden auf der Durchfahrt übersehen
Peberholm: Die verbotene Insel im Blickfeld
Die künstliche Insel ist Naturschutzgebiet – Betreten strengstens verboten. Doch vom Zugfenster (rechte Seite Richtung Schweden) entdeckst du ein unbeabsichtigtes Naturexperiment. In 25 Jahren siedelten sich über 500 Pflanzenarten an, Vogelkolonien nisten zwischen Betonruinen der Bauphase.
Wie Peter Hansen, dänischer Reiseführer von VisitDenmark, erklärt: „Die Øresundbrücke ist mehr als nur eine Verkehrsverbindung. Sie symbolisiert die längst überfällige Verbindung zwischen Dänemark und Schweden.“ Die Insel beweist es: Technik und Natur verschmelzen ungeplant.
Der Tunnel-Moment: 4 Minuten unter dem Meeresgrund
Der Übergang in den Drogdentunnel wirkt cineastisch – plötzliche Dunkelheit, 4 Minuten unter dem Øresund bei 20-25 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Erstfahrer berichten von leichter Klaustrophobie unter 40 Metern Wasser und Sediment.
Einheimische wissen: Ruhig atmen, entspannt bleiben. Der Tunnel wurde in fünf vorgefertigten Segmenten auf dem Meeresgrund versenkt – ingenieurstechnisch absolut sicher. Wie bei Elba erreicht man spektakuläre Ziele manchmal durch unerwartete Wege.
Die optimale Tageszeit – und warum Mitternachtssonne alles verändert
Touristen fahren mittags im Stau. Einheimische wählen frühen Morgen (6-8 Uhr) oder späten Abend (nach 20 Uhr) – weniger Verkehr, dramatischeres Licht. Im skandinavischen Sommer um 22 Uhr verwandelt sich die Szenerie: Goldenes Licht taucht Stahlträger in Bernstein.
Der Øresund glitzert wie flüssiges Metall, die 23,5 Meter breite Fahrbahn wird zur temporären Kunstgalerie. Anna Svensson, Malmö-Bewohnerin, fasst zusammen: „Seit der Eröffnung hat sich Malmö dynamisch entwickelt – der kulturelle Austausch blüht auf.“ Die Brücke lebt mit dem Licht.
Am 15. Juni 2025 fand der Jubiläums-Halbmarathon statt – 40.000 Läufer eroberten die sonst für Fußgänger gesperrte Brücke. Wie bei Griechenlands zeitlosen Attraktionen schaffen solche Events bleibende Erinnerungen.
Ihre Fragen zur Øresundbrücke beantwortet
Lohnt sich die 56€-Maut für einen Tagesausflug?
Definitiv – wenn du beide Metropolen kombinierst. Kopenhagen morgens (Nyhavn, Designmuseen), Malmö nachmittags (Altstadt, Moderna Museet). Die Brücke macht aus zwei getrennten Städtereisen eine nahtlose 960.000-Einwohner-Megacity-Erfahrung. Für Alleinreisende bleibt der Zug kostengünstiger bei identischer Aussicht.
Kann man die Brücke zu Fuß oder mit dem Fahrrad überqueren?
Nein – ausschließlich motorisierter Verkehr und Züge. Die einzige Ausnahme war die Eröffnung am 1. Juli 2000, als 80.000 Menschen zu Fuß hinüberliefen. Dieses historische Ereignis wird niemals wiederholt – aus Sicherheitsgründen bleibt die Brücke für Fußgänger gesperrt.
Wie unterscheidet sich die Erfahrung von anderen berühmten Brücken?
Die Øresundbrücke verschwindet unter Wasser – das macht keine andere große Brücke weltweit. Golden Gate Bridge kostet nur 9 USD, bleibt aber durchgehend sichtbar. Diese Brücke-Tunnel-Kombination ist architektonisch einzigartig: sichtbare Verbindung wird zu unsichtbarer Passage.
Stahlpfeiler weichen Wasseroberfläche, Tageslicht transformiert zu Tunneldunkelheit, Dänemark wird zu Schweden. In 15 Minuten durchquerst du nicht nur den Øresund – du durchquerst drei Welten: monumentale Brücke, verbotene Naturinsel, Unterwassertunnel. Die 56 € kaufen keine bloße Strecke. Sie kaufen eine physische Metamorphose zwischen zwei Kulturen.