In Saint-Riquier schlägt das kulturelle Herz Nordfrankreichs seit dem 8. Jahrhundert. Dieses versteckte Juwel im Département Somme, gerade einmal 44 Kilometer von Amiens entfernt, bewahrt ein faszinierendes Erbe, das selbst viele Einheimische noch nicht entdeckt haben. „Saint-Riquier ist ein Ort, an dem Geschichte nicht nur betrachtet, sondern gelebt wird“, schwärmt Marie Dubois, Kuratorin der Abtei, während die Abendsonne die gotische Fassade in goldenes Licht taucht.
Die Abtei – ein Kraftwerk mittelalterlicher Bildung
Die Benediktinerabtei Saint-Riquier, gegründet von Richarius im Jahr 625, entwickelte sich zum bedeutendsten kulturellen Zentrum Nordfrankreichs. Mit einer der größten Bibliotheken Europas war sie einst Zufluchtsort für Gelehrte aus ganz Europa. Heute beeindruckt die imposante gotische Fassade Besucher und lädt ein, durch die Geschichte zu wandeln. Als eines der wichtigsten mittelalterliche Juwelen Frankreichs bietet sie regelmäßig kulturelle Veranstaltungen, die den historischen Geist lebendig halten.
Der Belfried – Wächter über die Zeit
Der majestätische Belfried von Saint-Riquier überragt mit seinem 18 Meter hohen Turm die Dächer des Ortes. „Unser Belfried ist nicht nur ein Bauwerk, sondern unser kollektives Gedächtnis“, erzählt Bürgermeister Philippe Martin. Bei klarem Wetter reicht der Blick von seiner Spitze bis zur Küste der Somme-Region. Lokale Legenden berichten von einem geheimen Tunnelsystem, das den Belfried mit der Abtei verbindet – ein Geheimnis, das noch heute Historiker beschäftigt.
Ein Festival, das die Mauern zum Klingen bringt
Das jährliche Musikfestival der Abtei verwandelt Saint-Riquier jeden Sommer in einen kulturellen Hotspot. „Die Akustik im Kreuzgang ist so perfekt, dass die Musik förmlich mit den alten Steinen zu verschmelzen scheint“, schwärmt Jean Delacroix, künstlerischer Leiter. Mit Konzerten klassischer und sakraler Musik wird die Abtei zwischen Juli und August zum Magneten für Musikliebhaber aus ganz Europa. Die Kombination aus mittelalterlicher Architektur und zeitloser Musik schafft eine Atmosphäre, die selbst andere mittelalterliche Festungsstädte in Frankreich selten bieten können.
Verborgene Schätze abseits der Abtei
Abseits der bekannten Pfade offenbart Saint-Riquier seinen wahren Charme. In der Grande Rue verstecken sich kleine Ateliers lokaler Künstler zwischen Fachwerkhäusern. Der Jardin des Papillons, ein versteckter Garten am Stadtrand, lockt mit heimischen Schmetterlingen und mediterranen Pflanzen. Diese unentdeckten Ecken machen Saint-Riquier zu einem jener versteckte französische Dörfer, die noch authentische Erlebnisse versprechen.
Kulinarische Zeitreise durch die Picardie
Die lokale Küche Saint-Riquiers vereint herzhafte Traditionen der Picardie mit frischen Einflüssen der nahen Küste. Im familiengefürten „Le Relais Du Beffroi“ serviert Chef Pascal Beaumont seine berühmte Ficelle Picarde – hauchdünne, mit Pilzen und Schinken gefüllte Crêpes in Béchamelsauce. „Unsere Gerichte erzählen Geschichten von Land und Meer“, erklärt Beaumont, während er frische Muscheln aus der Baie de Somme zubereitet.
Ideale Reisezeit: Wenn Saint-Riquier aufblüht
Der Frühsommer von Mai bis Juli offenbart Saint-Riquier in seiner vollen Pracht. Die milden Temperaturen und die blühenden Gärten bilden die perfekte Kulisse für Entdeckungstouren. Das Kulturprogramm erreicht im Juli seinen Höhepunkt. Deutsche Reisende schätzen besonders die gute Erreichbarkeit – nur fünf Autostunden von der deutschen Grenze entfernt – und die ruhige Atmosphäre abseits überfüllter Touristenorte.
Saint-Riquier vermag es, die Seele des mittelalterlichen Frankreichs zu bewahren, während es gleichzeitig ein lebendiges kulturelles Zentrum bleibt. Ein Ort, an dem Geschichte und Gegenwart harmonisch verschmelzen und Besucher eine Zeitreise unternehmen können, die viele andere historische Sehenswürdigkeiten in den Schatten stellt. Wer das authentische Frankreich sucht, wird in Saint-Riquier nicht nur fündig – sondern verzaubert.