In einer überraschenden Wendung erlebt Dessau-Roßlau, die 75.400-Einwohner-Stadt in Sachsen-Anhalt, einen bemerkenswerten Kontrast: Während die Bevölkerung schrumpft, steigt die Stadt zur Welthauptstadt der modernen Architektur auf. Am 4. September 2025 startet hier das spektakuläre Eröffnungsfestival zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum, das die Stadt in den Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit rückt.
Demografischer Wandel trifft auf kulturellen Aufschwung
Die neuesten Zahlen des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt zeichnen ein klares Bild: Dessau-Roßlau schrumpft. Ende 2024 zählte die Stadt 75.402 Einwohner, ein Rückgang von 660 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Prognosen sagen sogar einen weiteren Rückgang auf 70.021 Einwohner bis Ende 2025 voraus – ein Gesamtrückgang von über 21% seit 2008.
Doch parallel zu dieser demografischen Herausforderung erlebt Dessau-Roßlau einen beispiellosen kulturellen Aufschwung. Das 16-monatige Jubiläumsprogramm „An die Substanz“ verwandelt die Stadt in ein lebendiges Museum der Moderne.
Bauhaus: Von der Vergangenheit in die Zukunft
Das Bauhaus, 1919 in Weimar gegründet und 1925 nach Dessau umgezogen, revolutionierte die Architektur und das Design weltweit. Heute, 100 Jahre später, zelebriert Dessau-Roßlau dieses Erbe mit einer Reihe von Veranstaltungen, die die Stadt zur Pilgerstätte für Architektur- und Designliebhaber machen.
Das ikonische Bauhausgebäude von Walter Gropius, ein UNESCO-Weltkulturerbe seit 1996, steht im Zentrum der Feierlichkeiten. Seine berühmte Glasvorhangfassade und das Prellerhaus – Deutschlands erstes Studentenwohnheim – ziehen Besucher aus aller Welt an.
Kulturtourismus als Antwort auf demografische Herausforderungen
Trotz des Bevölkerungsrückgangs setzt Dessau-Roßlau gezielt auf Kulturtourismus und internationale Architekturreisen. Das Bauhaus fungiert als „Leuchtturm der Moderne“ mit ungebrochener globaler Strahlkraft. Besucher können sogar in authentischem Bauhaus-Ambiente im Prellerhaus übernachten, wo die Zimmer detailgetreu rekonstruiert wurden.
Diese Strategie zeigt bereits Wirkung: Obwohl die Stadt schrumpft, verzeichnete sie 2023 1.000 mehr Zuzüge als Wegzüge – ein Zeichen dafür, dass Dessau-Roßlau trotz demografischer Herausforderungen attraktiv bleibt.
Ein Netzwerk der Moderne
Dessau-Roßlau steht nicht allein. Die Stadt ist Teil eines Netzwerks von Bauhaus-Welterbestätten, das sich über Weimar und Bernau erstreckt. Die BauhausCard ermöglicht Besuchern ganzjährigen Zugang zu allen Standorten, während virtuelle Rundgänge und Podcasts die internationale Reichweite erweitern.
Dieses Netzwerk macht Dessau-Roßlau zu einem zentralen Knotenpunkt des internationalen Bauhaus-Tourismus, ähnlich wie Landshut in Bayern, das die erste italienische Renaissance nördlich der Alpen bewahrt.
Zukunftsperspektiven: Kultur als wirtschaftlicher Motor
Das 16-monatige Jubiläumsprogramm könnte der Beginn einer nachhaltigen Trendwende sein. Während andere Städte wie Colmar im Elsass auf ihre Authentizität und entspannte Weinkultur setzen, nutzt Dessau-Roßlau sein architektonisches Erbe als Sprungbrett in die Zukunft.
Die Verbindung von kulturellem Reichtum und innovativem Stadtmarketing könnte neue Besucherströme generieren und die wirtschaftliche Basis der Stadt stärken. Ähnlich wie das Altmarkdorf mit seinem romanischen Ziegelbau zeigt Dessau-Roßlau, wie historisches Erbe eine Region beleben kann.
Das heute beginnende Festival markiert somit nicht nur einen historischen Meilenstein, sondern auch einen wichtigen Wendepunkt für Dessau-Roßlaus Zukunft als internationale Kulturmetropole. In einer Zeit, in der viele Städte mit Schrumpfung kämpfen, könnte Dessau-Roßlau ein Modell dafür werden, wie Kultur und Architektur eine Stadt trotz demografischer Herausforderungen in die Zukunft führen können.