Der Gördensee bei Brandenburg an der Havel offenbart ein faszinierendes Naturschauspiel, das in menschlicher Zeitrechnung ungewöhnlich schnell abläuft. Dieser stille Zeuge der letzten Eiszeit, der vor etwa 10.000 Jahren entstand, verliert jährlich bis zu 50 Zentimeter seiner Wasserfläche. Ein dramatischer Kontrast zwischen geologischer Entstehung und rapider Veränderung in unserer Zeit.
Ein See im Zeitraffer: 10.000 Jahre vs. wenige Jahrzehnte
Der Gördensee, eingebettet in die glaziale Bohnenland-Görden-Rinne, ist ein einzigartiges Relikt der Eiszeit. Mit einer Länge von 1,3 Kilometern und einer maximalen Breite von 400 Metern erstreckt er sich über eine Fläche von etwa 43 Hektar. Doch diese Zahlen täuschen: Historische Aufnahmen zeigen, dass der See einst doppelt so groß war.
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Verlandungsprozess dramatisch beschleunigt. Klimawandel und menschliche Eingriffe, wie ein künstlicher Abfluss am Südende, tragen dazu bei, dass der See buchstäblich vor unseren Augen verschwindet. Ein Phänomen, das Geologen und Naturschützer gleichermaßen alarmiert.
Letzte Chance für Naturliebhaber und Wissenschaftler
Der Gördensee bietet eine einmalige Gelegenheit, Zeuge eines natürlichen Transformationsprozesses zu werden. Besucher können die verschiedenen Stadien der Verlandung beobachten – vom offenen Wasser über ausgedehnte Schilfgürtel bis hin zu Seggen- und Erlenbeständen. Diese Sukzession macht den See zu einem lebendigen Lehrbuch der Ökologie.
Für Vogelbeobachter ist der Gördensee ein wahres Paradies. Schwäne, Stockenten und Blässhühner (regional als „Lietzen“ bekannt) finden hier ideale Brutbedingungen. Der ausgedehnte Röhrichtgürtel bietet zudem zahlreichen Schilfbrütern Schutz. Ähnlich wie der benachbarte Beetzsee bewahrt der Gördensee eiszeitliche Geheimnisse, die es zu entdecken gilt.
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Der BUND-Seenreport von 2024 malt ein düsteres Bild für die Zukunft des Gördensees. Experten warnen, dass bei einer Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze der Totalverlust vieler Brandenburger Seen droht. Der Gördensee, der ausschließlich durch Grundwasser gespeist wird, ist besonders anfällig für diese klimatischen Veränderungen.
Trotz seines Schutzstatus als Teil des Landschaftsschutzgebiets „Westhavelland“ fehlen konkrete Klimaanpassungsmaßnahmen. Dies stellt eine ernsthafte Bedrohung für dieses einzigartige Ökosystem dar. Der See könnte in wenigen Jahrzehnten vollständig verschwunden sein – ein Verlust, der die historische Wasserlandschaft Brandenburgs für immer verändern würde.
Ein Fenster in die Vergangenheit und Zukunft
Der Gördensee ist mehr als nur ein verschwindendes Gewässer. Er ist ein Fenster in die Vergangenheit und ein Spiegel unserer Zukunft. Seine Entwicklung zeigt uns, wie empfindlich unsere Ökosysteme auf Veränderungen reagieren. Gleichzeitig bietet er Wissenschaftlern die Möglichkeit, Verlandungsprozesse in Echtzeit zu studieren und Strategien für den Umgang mit ähnlichen Phänomenen weltweit zu entwickeln.
Während wir den Verlust des Gördensees vielleicht nicht aufhalten können, können wir doch aus seinem Schicksal lernen. Es erinnert uns daran, wie wichtig es ist, unsere natürlichen Ressourcen zu schützen und nachhaltig zu handeln. Ähnlich wie auf entlegenen Pazifikinseln, wo die Auswirkungen menschlichen Handelns sichtbar werden, zeigt uns der Gördensee die Fragilität unserer Umwelt.
Ein Aufruf zum Handeln
Der Gördensee mag ein kleines Gewässer sein, doch seine Botschaft ist groß. Er mahnt uns, achtsamer mit unserer Umwelt umzugehen und aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Für Besucher bietet sich jetzt vielleicht die letzte Gelegenheit, diesen einzigartigen See zu erleben und seine Geschichte zu verstehen. Ein Besuch hier ist nicht nur eine Reise in die Natur, sondern auch eine Reise durch die Zeit – von der Eiszeit bis in eine ungewisse Zukunft.
Lassen Sie uns dieses Naturerbe würdigen und aus seinem Schicksal lernen. Der Gördensee mag verschwinden, aber seine Lehren sollten wir bewahren – für eine nachhaltigere und bewusstere Zukunft.