Weniger touristisch als Cinque Terre vereint diese spanische Stadt von 36.909 Einwohnern spektakuläre Klippen mit versteckten Nationalparks

Die Straße schlängelt sich zwischen grünen Hügeln, als plötzlich der Blick freigegeben wird. Ich halte den Atem an. Vor mir ragt Ronda auf einem massiven Felsplateau auf, 120 Meter über einer tiefeingeschnittenen Schlucht. Es ist mein erster Blick auf Spaniens dramatischstes verstecktes Juwel – eine Kleinstadt mit gerade mal 36.909 Einwohnern, die jährlich über eine Million Besucher empfängt. Die meisten kommen für die spektakuläre Puente Nuevo, doch nach drei Tagen Erkundung weiß ich: Ronda bietet weit mehr als nur seine berühmte Brücke.

Die dramatische Schlucht: Wo 36.909 Einwohner ein Naturwunder teilen

Die Proportionen von Ronda sind verblüffend. In dieser andalusischen Kleinstadt, nur 100 km westlich von Málaga, leben kaum mehr Menschen als in einem deutschen Vorort. Doch das Verhältnis von Einwohnern zu Besuchern beträgt unglaubliche 1:27 – ähnlich wie im norwegischen Geiranger, wo kleine Gemeinden große Besucherströme meistern.

Was Ronda einzigartig macht, ist die El Tajo-Schlucht, ein gewaltiger Riss im Felsen, der die Stadt in zwei Hälften teilt. Der Guadalevín-Fluss hat über Jahrmillionen dieses Naturwunder geschaffen. Als ich auf der Puente Nuevo stehe, deren Bau 42 Jahre dauerte, wird mir die Dramatik bewusst. Der Blick 120 Meter in die Tiefe lässt mich schwindeln.

Während Mostars Brücke zwei Völker verbindet, überwindet Rondas Puente Nuevo die Naturgewalten selbst. Lokale erzählen mir, dass beim Bau angeblich Gefangene im Fundament eingemauert wurden – eine der vielen Legenden, die sich um diese außergewöhnliche Konstruktion ranken.

Sierra de las Nieves: Die unentdeckte Seite Rondas

Was die meisten Besucher verpassen: Ronda ist auch das Tor zum Sierra de las Nieves Nationalpark, einem botanischen Paradies. Während Touristen sich an der Brücke drängen, wandere ich durch fast menschenleere Wälder mit uralten Kiefern, deren genetische Merkmale bis in die Eiszeit zurückreichen.

„Wir sehen die Besucher kommen und gehen. Sie fotografieren die Brücke und sind in zwei Stunden wieder weg. Die wenigsten entdecken unsere Wanderwege, die grünen Täler, die verborgenen Winkel der Sierra. Dort liegt das wahre Ronda.“

Ähnlich wie Ålesund in Norwegen hat Ronda eine unverwechselbare architektonische Identität, die durch die Naturumgebung noch verstärkt wird. Weiße Häuser klammern sich an Felskanten, während unterhalb wilde Olivenhaine und Weingärten das Landschaftsbild prägen.

Der Juni erweist sich als perfekte Reisezeit. Die Tagestemperaturen um 25°C sind ideal für Wanderungen, und die Sierra zeigt sich in voller Blüte. In den felsigen Hängen entdecke ich den seltenen Espino Negro, eine Pflanzenart, die nur hier gedeiht. Die meisten Besucher warten bis September für die Feria de Pedro Romero, verpassen aber so die ruhige Naturpracht des Frühsommers.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang zur Schlucht führt über den wenig bekannten Camino de los Molinos. Parken Sie kostenlos am Mirador de Aldehuela und folgen Sie dem Pfad hinunter. Anders als der überlaufene Stadtblick bietet dieser Weg atemberaubende Perspektiven auf die Brücke von unten – perfekt für Sonnenaufgang-Fotografen.

Besuchen Sie die Casa Museo Don Bosco (Eintritt: €2,50) früh morgens. Die private Dachterrasse bietet den besten Blick auf Puente Nuevo, und vor 10 Uhr haben Sie sie fast für sich allein. Wie im italienischen Varenna am Comer See bleibt Ronda trotz Besucherzahlen authentisch, besonders wenn man die richtige Reisezeit wählt.

Für eine authentische Weinprobe besuchen Sie die familienbetriebene Bodega García Hidalgo außerhalb der Stadt. Hier werden die für Ronda ungewöhnlichen Riesling-Trauben angebaut – eine Seltenheit in Spanien. Der Besitzer führt persönlich durch die Kellerräume und erklärt die jahrhundertealten Methoden.

Als ich Ronda verlasse, während die Abendsonne die Felswände in goldenes Licht taucht, denke ich an das, was mir ein alter Herr im Café sagte: „Dormiso“ – bleib noch ein wenig. Sarah würde die Fotomotive lieben, und Emma wäre begeistert von den geheimnisvollen Geschichten über die Brücke. Ronda ist wie ein andalusischer Whisper – leise, intensiv und unvergesslich. Wer nur die Hauptattraktionen abhakt, hat die Seele dieses Ortes nicht verstanden. Das wahre Ronda offenbart sich erst, wenn man die ausgetretenen Pfade verlässt.