Diese thüringische Stadt von 65.954 Einwohnern vereint zwei separate UNESCO-Welterbestätten auf 20 Quadratkilometern

Der frühe Morgennebel lichtet sich langsam über dem Marktplatz, als ich Weimars klassizistisches Zentrum betrete. Eine Stadt, die auf den ersten Blick bescheiden wirkt. Mit nur 65.954 Einwohnern erscheint sie wie viele andere thüringische Kleinstädte – bis man realisiert, dass dieser kompakte Ort gleich zwei separate UNESCO-Welterbestätten beherbergt. Eine kulturelle Dichte, die selbst Metropolen wie Wien oder Paris in diesem Verhältnis nicht bieten können. Ich stehe im Herzen eines kulturellen Mikrokosmos, dessen unscheinbare Fassaden eine der höchsten Konzentrationen an Weltkultur verbergen.

Kulturdichte-Weltrekord: Eine Kleinstadt mit doppeltem UNESCO-Status

Während meiner 20-minütigen Fußtour vom Goethehaus zum Bauhaus-Museum durchquere ich buchstäblich 250 Jahre Kulturgeschichte. „Klassisches Weimar“ mit elf historischen Stätten vereint die Zeugnisse der deutschen Aufklärung und Klassik, während die „Bauhausstätten“ den revolutionären Beginn der modernen Architektur markieren.

„Wir sind das kleine Paris“, sagt meine Stadtführerin stolz, während sie auf das Goethe-Schiller-Denkmal zeigt. Der Vergleich ist nicht übertrieben. Mit seiner kompakten Kulturmacht übertrifft Weimar tatsächlich viele europäische Metropolen – wie die norddeutsche Kulturstadt für 2025, die zwar mehr Einwohner, aber weniger UNESCO-Prestige vorweisen kann.

Ein weiteres Juwel enthüllt sich am neogotischen Rathaus: ein Porzellanglockenspiel mit 35 Meißner Glocken, das dreimal täglich erklingt. Diese akustische Rarität, seit 1987 installiert, wird in den meisten Reiseführern kaum erwähnt – ein erstes Anzeichen dafür, wie viele versteckte Schätze Weimar birgt.

Weimars kulturelles Doppelerbe: Von Goethe bis Bauhaus zu Fuß

Die besondere Magie Weimars liegt in diesem unmittelbaren Nebeneinander von Klassik und Moderne. Im Park an der Ilm finden sich noch einige der Pflanzen, die Goethe selbst anlegte – nur wenige hundert Meter von den strengen geometrischen Linien des frühen Bauhauses entfernt.

Während Weimar für klassizistische und Bauhaus-Architektur bekannt ist, bietet das fränkische Juwel mit historischer Fachwerkarchitektur einen komplementären Einblick in deutsche Bautradition – zwei Seiten derselben kulturellen Medaille.

„Die meisten Besucher kommen für Goethe oder das Bauhaus. Aber sie entdecken eine Stadt, in der man innerhalb eines Tages vom 18. Jahrhundert bis zur Moderne spazieren kann. Diese Verdichtung gibt es nirgendwo sonst in dieser Form.“

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek, deren Rokoko-Saal nach einem verheerenden Brand 2004 aufwändig restauriert wurde, beherbergt nicht nur Goethes literarisches Erbe, sondern auch Nietzsches weniger bekannten Nachlass – ein philosophischer Schatz abseits der ausgetretenen Pfade.

Wie die europäische Stadt als Symbol kultureller Verbindung vereint auch Weimar verschiedene Traditionen – hier die Klassik und Moderne – auf einzigartige Weise. Doch während jene für ihre Brücke bekannt ist, manifestiert sich Weimars Verbindungskraft in seiner kompakten kulturellen Landschaft.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang erfolgt über den Parkplatz am Goetheplatz, von wo aus die meisten UNESCO-Stätten in maximal 15 Gehminuten erreichbar sind. Besuchen Sie das Bauhaus-Museum am frühen Morgen (öffnet um 9:30 Uhr), um den Andrang zu vermeiden, der sich erfahrungsgemäß ab Mittag bildet.

Im Sommer 2025 wird Weimar das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum feiern – ein idealer Zeitpunkt für einen Besuch, aber auch einer, zu dem Sie Ihre Unterkunft mindestens drei Monate im Voraus buchen sollten. Die lokale „weimar card“ für 29,50 € ermöglicht freien Eintritt zu den meisten Attraktionen und lohnt sich bereits ab zwei Museumsbesuchen.

Neben Weimars klassizistischer Architektur lohnt sich ein Abstecher zum nahegelegenen historischen sächsischen Heilbad mit königlicher Architektur, das eine andere Facette deutscher Kulturgeschichte zeigt – ideal für einen Tagesausflug.

Als ich am späten Nachmittag am Marktplatz einen Espresso schlürfe, schaue ich auf das geschäftige Treiben der Stadt. Meine Frau Sarah, die Fotografin, hat heute mehr als 200 Bilder geschossen – ein persönlicher Rekord selbst für sie, die weltweit Kulturstätten dokumentiert. „In Weimar musst du ständig den Blickwinkel wechseln“, sagt sie, „vom Makro der Bauhaus-Details zum Panorama der Klassik.“ Wie ein Gedicht Goethes komprimiert diese Kleinstadt die Essenz deutscher Kulturgeschichte auf wenigen Quadratkilometern – ein Mikrokosmos, der trotz seiner Weltbedeutung noch immer auf seine vollständige Entdeckung wartet.