Weniger touristisch als Carcassonne, diese deutsche Stadt von 11.374 Einwohnern empfängt jährlich 1 Million Besucher

Ich schreite durch das Osttor von Rothenburg ob der Tauber, als würde ich durch ein mittelalterliches Gemälde wandern. Die Morgensonne vergoldet die Fassaden der Fachwerkhäuser, während die Stadt langsam erwacht. Das Erstaunliche: In dieser Kleinstadt mit gerade einmal 11.374 Einwohnern drängen sich jährlich über 1 Million Besucher – ein Verhältnis von 1:87. Und trotzdem fühlt sich Rothenburg heute Morgen wie ein Geheimnis an, das nur ich entdeckt habe.

Warum diese Stadt mit 46 Türmen im Sommer 2025 zum viralen Reiseziel wird

Ich stehe auf der vollständig erhaltenen Stadtmauer, die auf 4,8 Kilometern Länge sage und schreibe 46 mittelalterliche Türme verbindet. Diese Dichte ist weltweit einzigartig – selbst das berühmte Carcassonne in Frankreich kommt mit nur 12 Toren nicht annähernd heran. Die fränkische Region ist bekannt für ihre beeindruckende Fachwerkarchitektur, deren Höhepunkt Sie in Rothenburg erleben können.

Besonders faszinierend: Die Stadtmauer ist 24 Stunden täglich zugänglich – ein nächtlicher Spaziergang offenbart ein völlig anderes Gesicht Rothenburgs. Im Licht der Straßenlaternen werfen die mittelalterlichen Türme gespenstische Schatten, während die Gassen menschenleer sind. Der ideale Zeitpunkt für Besucher, die authentische Erlebnisse suchen.

Das Phänomen kleiner Orte mit großem Besucherandrang zeigt sich auch in Rothenburg, wo die 11.374 Einwohner jährlich über 1 Million Besucher empfangen. Doch im Gegensatz zu anderen Hotspots hat Rothenburg seinen mittelalterlichen Charme bewahrt. 90% der Altstadtgebäude stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert und stehen unter Denkmalschutz.

Das mittelalterliche Juwel, das Carcassonne und Brügge in den Schatten stellt

Im Gegensatz zu den überfüllten Gassen von Carcassonne können Sie in Rothenburg die mittelalterliche Atmosphäre noch authentisch erleben. Während ich am berühmten Plönlein-Winkel stehe – jenem Fachwerkhaus, das auf zahllosen Postkarten prangt – bin ich fast allein. Nur ein älteres Ehepaar fotografiert die ikonische Ansicht.

„Nach Sonnenuntergang gehört Rothenburg den Einheimischen und den wenigen Gästen, die hier übernachten. Dann kommt das wahre mittelalterliche Gefühl zurück, das viele Städte längst verloren haben.“

Der 60 Meter hohe Rathausturm bietet einen atemberaubenden Panoramablick über die Altstadt und die sanften Hügel des Taubertals. Von hier oben wird klar, warum man Rothenburg auch das „Fränkische Jerusalem“ nennt – die Silhouette der zahlreichen Türme erinnert tatsächlich an den Tempelberg.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: Die berühmte „Meistertrunk-Legende“ über einen Bürgermeister, der seine Stadt im Dreißigjährigen Krieg durch eine Trinkprobe rettete. Dieses Ereignis wird im Sommer 2025 beim spektakulären Reichsstadt-Festspiel mit über 100 Schauspielern inszeniert – ein Zeitfenster, das Sie nicht verpassen sollten.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang zur Stadtmauer ist über das Rödertor im Osten, wo es kostenlose Parkplätze gibt. Besuchen Sie die Stadt am frühen Morgen (vor 9 Uhr) oder am späten Nachmittag (nach 17 Uhr), wenn die Tagestouristen verschwunden sind. Ähnlich wie andere historische Städte hat Rothenburg Wege gefunden, den Besucherstrom geschickt zu lenken.

Probieren Sie unbedingt die Rothenburger Schneeballen – ein knuspriges Gebäck, das nur hier nach überliefertem Rezept hergestellt wird. Die besten gibt es nicht in den Touristenläden, sondern im kleinen Café am St. Georgsbrunnen, wo Einheimische einkehren.

Insider wissen: Der Stadtturmweg ist in 2-3 Stunden zu bewältigen und führt Sie zu versteckten Winkeln, die in keinem Reiseführer stehen. Besonders beeindruckend ist der Blick vom Pulverturm im Norden – laut lokaler Legende bringt er Männern allerdings Unglück.

Während Sarah Fotos vom Sonnenuntergang auf der Stadtmauer macht, denke ich an all die Generationen, die diese Steine vor mir berührt haben. Rothenburg ist wie ein perfekt konserviertes Buch mittelalterlicher Geschichte, dessen Seiten man tatsächlich betreten kann. In einer Welt voll überlaufener Touristenattraktionen ist diese fränkische Kleinstadt eine Seltenheit geworden – ein Ort, an dem Geschichte und Gegenwart so nahtlos ineinander übergehen wie die Steine ihrer alten Mauern.