Weniger bekannt als Düsseldorf, diese deutsche Stadt von 93.000 Einwohnern versteckt Europas älteste Fabrik

Der Regen prasselt leicht auf die roten Ziegelsteine, während ich vor der ältesten erhaltenen Fabrik des europäischen Festlands stehe. In der 240 Jahre alten Textilfabrik Cromford in Ratingen tickt die Zeit anders. Nur 10 km östlich von Düsseldorf entfernt hat sich hier ein industrielles Zeitkapsel erhalten, das selbst die meisten Rheinländer nicht kennen. Die massiven Gebäude mit ihren charakteristischen weiß-roten Fassaden stehen still im Morgennebel – eine Industriekathedrale, die größer wirkt als die 88 km² Stadt, die sie beherbergt.

Die 240-jährige Fabrik, die Europas industrielle Revolution mitprägte

Als ich die quietschenden Holzdielen des Hauptgebäudes betrete, werde ich sofort ins Jahr 1783 zurückversetzt. Während in Vietnam natürliche Höhlenkathedralen die Landschaft prägen, schuf hier der Mensch industrielle Kathedralen mit revolutionärer Wirkung.

Die von Johann Gottfried Brügelmann gegründete Fabrik war die erste mechanisierte Baumwollspinnerei auf dem europäischen Kontinent. Während eine Schulklasse vorbeiläuft, setzt der Museumsführer die historischen Webstühle in Gang. Der rhythmische Klang der Holzmaschinen erfüllt den Raum – kein aufgenommenes Geräusch, sondern echte Industriegeschichte in Bewegung.

Durch die großen Fenster fällt Licht auf die ausgestellten Baumwollballen. „Die Fabrik war damals so revolutionär, dass Brügelmann sie streng bewachen ließ“, erklärt mir die Kuratorin. „Industriespionage war ein echtes Problem.“ Der Name Cromford selbst wurde von einer englischen Fabrikstadt übernommen – ein früher Fall von internationalem Technologietransfer.

10 km von Düsseldorf: Warum Kenner Ratingen bevorzugen

Mit nur 93.000 Einwohnern (Prognose) steht Ratingen oft im Schatten der Rheinmetropole. Doch wie Forchheim neben Bamberg bietet die Stadt einen authentischen Einblick ins Rheinland ohne Touristenmassen.

Im Gegensatz zum hektischen Düsseldorfer Trubel begegne ich auf dem historischen Marktplatz nur einer Handvoll Menschen. Die Fachwerkhäuser der Altstadt, allen voran die Suitbertusstuben (erbaut 1276), sind keine Touristenfallen, sondern lebendige Orte mit echtem Charakter.

„Viele kommen wegen der industriellen Geschichte, bleiben aber wegen der perfekten Balance. Morgens Fabrikgeschichte, nachmittags Waldspaziergang, abends rheinische Küche in Fachwerkkulisse – wo sonst bekommst du das in 10 km Radius?“

Als ich durch die Altstadt spaziere, entdecke ich den Dumeklemmerbrunnen – eine bizarre Erinnerung an mittelalterliche Daumenschrauben, die den Ratingern ihren Spitznamen „Dumeklemmer“ einbrachte. Während Stockholm mit schmalen Gassen beeindruckt, fasziniert Ratingen mit seiner industriellen Pionierrolle und mittelalterlichem Erbe auf engstem Raum.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Für den perfekten Besuch sollten Sie früh ankommen. Die Textilfabrik öffnet um 10 Uhr, aber die besten Fotomomente erleben Sie im Morgenlicht vor der offiziellen Öffnung, wenn die Sonne die roten Ziegel zum Leuchten bringt.

Nach dem Museumsbesuch folgen Sie dem Angerbach flussabwärts durch den Park. Dieser versteckte Weg führt Sie zu ruhigen Plätzen, die selbst viele Einheimische nicht kennen. Ähnlich wie Frankfurt (Oder) mit seinen Grünflächen bietet Ratingen überraschend viel Natur für eine Stadt dieser Größe.

Für kulinarische Entdeckungen besuchen Sie unbedingt die Suitbertusstuben. Hier serviert man „Ädikötten“ – ein lokales Gericht, das nur Insider kennen. Besonders nach 17 Uhr, wenn die Nachmittagssonne durch die alten Fenster fällt, ist die Atmosphäre magisch.

Planen Sie Ihren Besuch für August 2025, wenn das jährliche Stadtfest den Marktplatz in eine Festzone verwandelt. Die perfekte Zeit, um Ratingen in seiner festlichsten Stimmung zu erleben.

Als ich mit meiner Kamera den Blauen See am Stadtrand erreiche, denke ich an Emma, meine siebenjährige Tochter. Sie würde die türkisblauen Farben dieses ehemaligen Erzbergwerks lieben. Wie ein rheinisches Geheimnis liegt Ratingen hier – ein Ort, an dem Industriegeschichte nicht in Vitrinen verstaubt, sondern lebendig bleibt. In einer Welt von überlaufenen Touristenzielen ist diese Stadt wie ein gut gehütetes Familienrezept: zu gut, um es für sich zu behalten, aber zu besonders, um es jedem zu verraten.