Der Himmel leuchtet in einem zarten Orangeton, als ich in das verschlafene Forchheim einfahre, nur 30 Kilometer südlich von Bamberg. Es ist 7 Uhr morgens, und die kopfsteingepflasterten Gassen der fränkischen Stadt mit ihren 33.017 Einwohnern liegen noch in friedlicher Stille. Während sich Touristen in Nürnberg und Bamberg drängen, entdecke ich hier etwas Seltsames: eine Stadt mit mehr Bierkellern als Straßenblöcken. In den nächsten Tagen werde ich herausfinden, warum diese verborgene Perle im Sommer 2025 plötzlich in aller Munde sein wird.
23 Bierkeller in einer Stadt, die kaum jemand kennt
Forchheims größtes Geheimnis liegt am Stadtrand im sogenannten „Kellerwald“. Hier befinden sich 23 historische Bierkeller, die in den Sandsteinfelsen gehauen wurden – eine der höchsten Bierkeller-pro-Kopf-Raten Deutschlands. Im Gegensatz zum überfüllten Oktoberfest bietet der Kellerwald etwas Authentisches.
„Die Kombination aus mittelalterlicher Architektur und diesen jahrhundertealten Bierkellern ist einzigartig in Bayern“, erklärt mir der Kellerwirt, während er ein frisch gezapftes Annafestbier vor mich stellt. Jeder Keller hat seinen eigenen Charakter, manche sind über 200 Jahre alt.
Während ich durch die Altstadt schlendere, entdecke ich das spätgotische Rathaus aus dem Jahr 1402, dessen aufwändige Renovierung erst 2026 abgeschlossen sein wird. Es ist tatsächlich die letzte Chance, den historischen Bau in seinem transformativen Zustand zu erleben – ein zeitlich begrenztes Fenster in die Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig.
Besonders beeindruckend ist die Kaiserpfalz, in der früher Bischöfe residierten. Heute beherbergt sie vier Museen unter einem Dach, darunter das Archäologiemuseum und das Stadt- und Trachtenmuseum. Ähnlich wie französische Schlösser oft imposant über Flüssen thronen, bezaubert Forchheims Kaiserpfalz mit einer bodenständigeren, aber nicht weniger historisch bedeutsamen Eleganz.
Der Geheimtipp für den Sommer 2025
Was Forchheim im Juli 2025 besonders attraktiv macht, ist das traditionelle Annafest – ein authentisches bayerisches Bierfest, das seit 1840 jährlich stattfindet. Im Gegensatz zum internationalen Massentourismus des Oktoberfests bleibt dieses Fest erstaunlich authentisch.
„Wir haben hier eine unverfälschte fränkische Erfahrung bewahrt. Die Atmosphäre ist entspannt, die Preise vernünftig, und man kann mit Einheimischen ins Gespräch kommen, statt zwischen Touristenmassen verloren zu gehen.“
Die gut erhaltenen Fachwerkhäuser Forchheims strahlen eine ähnliche zeitlose Schönheit aus wie die goldenen Steinhäuser französischer Mittelalter-Dörfer. Doch während das Nürnberger Tor – das einzig erhaltene Stadttor – beeindruckt, ist es die schiefe Kammerersmühle, die meine Aufmerksamkeit fesselt.
Dieses rote Fachwerkgebäude aus dem 17. Jahrhundert neigt sich spektakulär zum Fluss Wiesent und beherbergt heute ein Restaurant. Die Perspektive erinnert an Venedig, nur ohne die Touristenmassen. Während Basel am Rhein kulturelles Erbe mit malerischer Flusslandschaft vereint, tut Forchheim dasselbe an der Wiesent – nur intimer und weniger bekannt.
Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen
Der beste Zugang zum Kellerwald ist über den Sattlertorstraßen-Pfad, der Sie direkt zu den Bierkellern führt. Parken Sie kostenlos am Festplatz Auf der Reit und spazieren Sie 10 Minuten durch die grüne Umgebung.
Besuchen Sie die Altstadt unbedingt am frühen Morgen, wenn goldenes Licht die Fachwerkhäuser beleuchtet – perfekt für Fotos ohne Menschenmassen. Der Karamellbaum im Stadtpark ist ein lokales Naturwunder, dessen Blätter tatsächlich nach Karamell duften.
Probieren Sie unbedingt das lokale Kellerbier im traditionellen Steinkrug – es schmeckt anders als jedes andere bayerische Bier. Die Einheimischen bestellen dazu eine „Blaue Zipfel“ (fränkische Bratwurst in Essigsud), ein Gericht, das selbst viele Bayern nicht kennen.
Als ich zum letzten Mal durch die Gassen schlendere, bemerke ich eine seltsame Harmonie zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Meine Frau Sarah würde die Farbabstufungen der Fachwerkhäuser lieben, perfekt für ihre Architekturfotografie. Forchheim erinnert mich an ein gut gehütetes Familienrezept – etwas, das man nur mit Menschen teilt, denen man vertraut. In einer Welt überlaufener Touristenziele fühlt sich diese fränkische Stadt wie ein kostbares Geschenk an, das noch nicht ausgepackt wurde – zumindest noch nicht ganz.